Deutsche Einheit: CDU feierte Freiheiten, die es nicht mehr gibt
Von Timo Braun – veröffentlicht durch den Ethischer Rat der Menschheit

Am 3. Oktober 2025 erklärte CDU-Vorsitzender Friedrich Merz in einer Rede, die CDU mache sich stark für die unverrückbare Grundausrichtung der Bundesrepublik: Gewaltenteilung, Kontrolle der Macht, Freiheit der Wahl, Rede, Presse, Kunst, Wissenschaft, Religion und Beruf. Diese Liste benennt die zentralen Pfeiler des demokratischen Selbstverständnisses. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Was Merz als gesichert feiert, existiert längst nicht mehr. Die folgenden Abschnitte zeigen, wie diese Grundfreiheiten systematisch zerstört wurden.
Gewaltenteilung – aufgehoben
Die formale Trennung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative ist faktisch aufgehoben. Parlamentarier sind von Parteidisziplin bestimmt, Ministerien erlassen Gesetze über Verordnungen, und Gerichte sind eng an Regierung und Parteienlandschaft gebunden. Hans Herbert von Arnim spricht von der fehlenden Gewaltenteilung im Parteienstaat.1 Stefan Homburg belegte im Bundestag, dass während der Corona-Regelungen Parlament und Gerichte gleichgeschaltet waren.2 Das Dossier 2025 dokumentiert die Aufhebung anhand von Verwaltungsverfahren und richterlicher Abhängigkeit.3
Kontrolle der Macht – in Machtausübung verkehrt
Kontrolle von Regierung und Verwaltung wird von denselben Institutionen durchgeführt, die kontrolliert werden sollen. Rechnungshofberichte verhallen, Lobbyinteressen dominieren. Transparency International weist auf strukturellen Machtmissbrauch hin.4 Der Bundesrechnungshof kritisiert gravierende Kontrolldefizite.5
Freiheit der Wahl – Illusion
Bürger können nur Parteien wählen, die im Machtapparat zugelassen sind. Grundsatzentscheidungen – Krieg, EU-Verträge, Geldsystem – sind durch keine Wahl beeinflussbar. Robert Michels zeigte im „ehernen Gesetz der Oligarchie“, dass Parteien zwangsläufig oligarchisch werden.6 Die Bundeszentrale für politische Bildung stellt fest: Parteien dominieren den Zugang zu Machtpositionen.7
Freiheit der Rede – formal erlaubt, praktisch wirkungslos
Jeder darf reden, aber niemand wird gehört. Bürgerinitiativen, Petitionen, selbst wissenschaftlich belegte Analysen verhallen. Amnesty International kritisiert Einschränkungen der Versammlungsfreiheit und Polizeigewalt.8 Netzpolitik.org dokumentiert Zensurmechanismen durch Social Media.9
Pressefreiheit – gleichgeschaltet
Nachrichtenfluss ist auf wenige Agenturen konzentriert, vor allem die dpa. Medienvielfalt existiert auf dem Papier, faktisch dominiert Copy-Paste. Reporter ohne Grenzen listet Deutschland nur auf Platz 21 der Pressefreiheit.10 Eine Studie der Universität Hamburg zeigt die starke Medienkonzentration.11
Kunstfreiheit – systemisch zerstört
Künstler können von ihrer Arbeit nicht leben, weil Kunst nicht als sozialversicherungspflichtiger Beruf anerkannt ist. 19 % der Künstler leben unterhalb der Armutsgrenze.12 Die Künstlersozialkasse verzeichnet sinkende Einkommen und wachsende Prekarität.13
Wissenschaftsfreiheit – domestiziert
Drittmittelfinanzierung zwingt Forschung in die Logik von Wirtschaft und Politik. Der Wissenschaftsrat weist auf massive Drittmittelabhängigkeit hin.14 Der Deutsche Ethikrat ist von der Bundesregierung eingesetzt und nicht unabhängig.15
Religionsfreiheit – Spiritualität vergessen
Religion ist formal frei, aber spirituelles Bewusstsein ist gesellschaftlich entwertet. Die EKD verzeichnete 2023 über 700 000 Austritte.16 Religionssoziologe Hubert Knoblauch beschreibt die Verdrängung von Spiritualität.17
Berufsfreiheit – ersetzt durch Geldlogik
Frei ist nur, was innerhalb der Geldlogik Einkommen bringt. SGB II § 10 verpflichtet zur Annahme jeglicher zumutbarer Arbeit, unabhängig von der eigenen Berufung.18 Der OECD-Bericht 2023 kritisiert die rigiden Arbeitsmarktauflagen.19
Fazit
Die CDU feierte am Tag der Deutschen Einheit vermeintliche Freiheiten, die längst zerstört sind. Gewaltenteilung, Wahlfreiheit, Pressefreiheit und alle weiteren Grundrechte existieren nur noch auf dem Papier. Die Realität: Ein Parteienstaat, der sich selbst kontrolliert, eine Presse, die gleichgeschaltet ist, Wissenschaft und Kunst in Abhängigkeit, Religion irrelevant, Beruf und Leben durch Geldlogik gefangen.
Dieses Wissen liegt dem Deutschen Bundestag längst vor – in persönlichen Vorträgen, Petitionen, Briefen und Kommentaren. Es wurde den Abgeordneten und staatlichen Organen wiederholt zugespielt. Doch wer sich bis heute weigert, diese Wahrheit weiterzutragen, ist genau der Adressat: Bundestag und jede staatliche Institution. Jede Beschwerde wird systematisch erstickt – als angeblicher Einzelfall, durch institutionelle Taubheit oder durch bewusste Verdrehung.
Damit bestätigt Merz indirekt: Deutschland hat seine Demokratie verloren. Vollständig.
Quellen
Hans Herbert von Arnim (2017): Das System. Beck Verlag. beck-shop.de ↩
Stefan Homburg (2021): Vortrag am Bundestag zur Corona-Politik. youtube.com ↩
Braun, Timo (2025): Dossier 2025. tesserakt-portal.org ↩
Transparency International (2023): Corruption Perceptions Index. transparency.de ↩
Bundesrechnungshof (2022): Jahresbericht 2022. bundesrechnungshof.de ↩
Robert Michels (1911/1989): Zur Soziologie des Parteiwesens. Kröner Verlag. ↩
Bundeszentrale für politische Bildung (2023): Parteien und Demokratie. bpb.de ↩
Amnesty International (2023): Jahresbericht Deutschland. amnesty.de ↩
Netzpolitik.org (2024): Dossiers zu Meinungsfreiheit und Plattformzensur. netzpolitik.org ↩
Reporter ohne Grenzen (2024): Rangliste der Pressefreiheit. reporter-ohne-grenzen.de ↩
Universität Hamburg (2022): Studie Medienkonzentration in Deutschland. uni-hamburg.de ↩
Statistisches Bundesamt (2023): Kulturberufe – Einkommenslage. destatis.de ↩
Künstlersozialkasse (2023): Jahresstatistik. kuenstlersozialkasse.de ↩
Wissenschaftsrat (2023): Empfehlungen zur Forschungsfinanzierung. wissenschaftsrat.de ↩
Deutscher Ethikrat (2023): Über den Rat. ethikrat.org ↩
Evangelische Kirche Deutschland (2023): Kirchenaustritte auf Rekordhoch. ekd.de ↩
Knoblauch, Hubert (2018): Spiritualität in der modernen Gesellschaft. Springer VS. ↩
Sozialgesetzbuch II, §10 Zumutbarkeit. gesetze-im-internet.de ↩