Militärischer Aufrüstungszwang – Rationalität und Bewusstsein

Von Timo Braun – veröffentlicht durch den Ethischer Rat der Menschheit

Symbolische Darstellung von Panzersilhouetten, die in ein Lichtfeld übergehen – Transformation von Gewalt zu Bewusstsein.
Symbolische Darstellung von Panzersilhouetten, die in ein Lichtfeld übergehen – Transformation von Gewalt zu Bewusstsein.

Die Frage nach militärischem Aufrüstungszwang ist eine der tiefsten Spiegelflächen des modernen Bewusstseinszustands. Regierungen weltweit – darunter auch die deutsche Bundesregierung – sehen sich gezwungen, Verteidigungsetats massiv auszuweiten.

Doch warum?

Diese Publikation fasst die zentralen Begründungsebenen zusammen – wissenschaftlich belegt, logisch hergeleitet und dedogmatisiert aus Sicht des Ethischen Rats der Menschheit (ECoH).

1. Systemische Gründe aus Regierungssicht

1.1 Selbstschutz und Souveränität

Die sicherheitspolitischen Weißbücher der Bundesregierung sprechen von der „Unvorhersehbarkeit der globalen Ordnung“ und der „Notwendigkeit glaubwürdiger Abschreckung“.1

Diese Formulierungen sind nicht rhetorisch, sondern Ausdruck eines funktionalen Schutzreflexes:

Staaten reagieren auf wahrgenommenen Kontrollverlust mit sichtbarer Handlungsfähigkeit. In einem Umfeld wachsender globaler Unbeständigkeit ersetzt militärische Wehrhaftigkeit das Vertrauen in politische oder gesellschaftliche Steuerbarkeit.

ECoH-Analyse (systemisch abgeleitet): Staaten verteidigen in solchen Phasen weniger territoriale Grenzen als die Funktionsfähigkeit ihrer eigenen Strukturen. Aufrüstung wird so zur Kompensationshandlung eines Systems, das seine Steuerfähigkeit schwinden sieht.

1.2 Bündnislogik (NATO-Mechanismus)

Deutschland ist seit Jahrzehnten in kollektive Verteidigungsmechanismen eingebunden. Das NATO-Ziel von 2 % des Bruttoinlandsprodukts schafft eine Erwartungsstruktur, die militärische Sichtbarkeit zur Bedingung für Bündnisvertrauen macht.2 Diese Rückkopplung zwischen Verlässlichkeit und Rüstung ist institutionell verankert, nicht rechtlich erzwungen. Sie folgt aus Systemlogik.

ECoH-Analyse: Loyalität wird in solchen Systemen über militärische Beteiligungsfähigkeit codiert. Sicherheit wird so zu einem Symbol gegenseitiger Erwartung, nicht primär zu einem Ausdruck realer Bedrohung.

1.3 Wirtschaftliche und technologische Anreize

Wirtschafts- und Forschungsinstitute (u. a. IfW Kiel, Goldman Sachs, OECD) zeigen, dass Verteidigungsausgaben konjunkturelle Effekte erzeugen und in Innovationsprozesse einfließen.34

Militärforschung wirkt als technologischer Spillover – sie fördert Entwicklungen in Werkstoffkunde, KI, Robotik und Raumfahrt.5

Diese Mechanik ist ökonomisch nachvollziehbar, erzeugt aber strukturelle Abhängigkeiten:

Wachstum wird zunehmend an Konfliktpotenziale gekoppelt.

ECoH-Analyse: Die Formel „Wachstum durch Verteidigung“ stabilisiert kurzfristig Wirtschaftssysteme, verstärkt jedoch langfristig deren Schuld- und Rüstungsabhängigkeit. Das ist kein moralisches, sondern ein systemökonomisches Paradox.

1.4 Politische und psychologische Legitimation

Das politische Narrativ der Zeitenwende markiert keine bloße Strategieanpassung, sondern eine kollektive Neudefinition von Verantwortung und Identität.6

Deutschland möchte gleichzeitig „verantwortlich“ und „wehrhaft“ erscheinen – eine Doppelbindung aus ethischem Anspruch und Machtlogik.

Diese Ambivalenz erzeugt den Eindruck moralischer Pflicht zur Aufrüstung.

ECoH-Analyse: Politische Akteure kompensieren historische Schuld durch Handlungssymbole. Aufrüstung wird so zu einer psychopolitischen Selbstversicherung – rational nachvollziehbar, aber geistig unerlöst.

2. Wissenschaftliche Belege

https://www.bundeswehr.de/resource/blob/4800140/fe103a80d8576b2cd7a135a5a8a86dde/download-white-paper-2016-data.pdf

Befund: Das Weißbuch beschreibt eine zunehmend „unvorhersehbare Weltordnung“ und betont militärische Stärke als Voraussetzung staatlicher Handlungsfähigkeit.

https://www.nato.int/docu/review/articles/2025/04/14/sharing-the-burden/index.html

Befund: Deutschland erreicht erstmals das 2 %-Ziel. Die Veröffentlichung diskutiert Verteidigungsinvestitionen als Ausdruck kollektiver Verantwortung innerhalb der Allianz.

https://www.kielinstitut.de/publications/news/germany-and-europe-should-finance-rising-military-spending-through-borrowing

Befund: Das Institut zeigt, dass höhere Verteidigungsausgaben kurzfristig Wachstumsimpulse erzeugen und Investitionszyklen anstoßen können, jedoch langfristig fiskalische Risiken bergen.

https://www.goldmansachs.com/insights/articles/defense-spending-to-boost-german-and-european-gdp-growth

Befund: Goldman Sachs prognostiziert, dass steigende Verteidigungsausgaben in Deutschland und Europa bis 2027 signifikant zum BIP-Wachstum beitragen könnten. Die Analyse interpretiert Aufrüstung als makroökonomischen Stimulus, nicht als sicherheitspolitische Notwendigkeit.

https://mpra.ub.uni-muenchen.de/120608

Befund: Die Studie analysiert die gesamtwirtschaftlichen Effekte von Verteidigungsausgaben und zeigt: Nicht-militärische öffentliche Investitionen fördern Wachstum und Beschäftigung stärker als militärische. Rüstungsausgaben erzeugen nur kurzfristige Impulse, langfristig jedoch strukturelle Ungleichgewichte.

https://www.reuters.com/business/aerospace-defense/germany-hike-defense-spending-scholz-says-further-policy-shift-2022-02-27

Befund: Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte am 27. Februar 2022 einen 100-Milliarden-Euro-Sonderfonds für die Bundeswehr an. Der Begriff Zeitenwende markiert seither sowohl eine politische als auch eine psychologische Zäsur in der deutschen Sicherheitsdoktrin.

3. Erweiterte Forschung und systemische Analysen

Weitere Studien vertiefen die Beobachtung, dass militärische Aufrüstung aus Rückkopplung entsteht – nicht aus strategischer Linearität:

  • Trends and Dispersion in Defence Spending, 1950–2024. Defence and Peace Economics (2025). DOI: 10.1080/13504851.2025.2532057 → Verteidigungsausgaben folgen zyklischen Mustern geopolitischer Spannungen – eine Reaktiv-, keine Präventionslogik.

  • How Political Ideology Shapes Military Spending. Armed Forces & Society (2025). DOI: 10.1177/0095327X251315429 → Ideologische Prädispositionen beeinflussen Bedrohungswahrnehmung stärker als objektive Sicherheitsindikatoren.

  • Defence Innovation – The German Case. IRIS Policy Paper (2021). → Militärische Innovationsprozesse werden häufig ziviltechnologisch weiterverwendet.

ECoH-Schlussfolgerung (aus Vergleichsstudien abgeleitet): Das Sicherheitsnarrativ verstärkt sich strukturell selbst: Der Glaube an Wehrfähigkeit erzeugt das Bedürfnis nach weiterer Wehrfähigkeit.

4. Strukturelle Konsequenz

Ein System, das auf Abschreckung, Sanktionen und Überwachung als Hauptinstrumente seiner Sicherheit vertraut, schützt nicht mehr seine Bürger, sondern seine eigene Verwaltung.

Diese Verwaltung wird damit selbst zur Bedrohung – nicht durch Absicht, sondern durch Übersteuerung.

Die ursprüngliche Schutzfunktion kehrt sich um: Sicherheit wird zur Quelle der Unsicherheit.

5. Metaebene – Der Bewusstseinsaspekt

Aus Sicht des ECoH liegt die tiefere Ursache des Aufrüstungsimpulses nicht in geopolitischen Rationalitäten, sondern in kollektiver Resonanzverengung:

  • Angst wird rationalisiert als Sicherheitspolitik.
  • Verantwortung wird externalisiert als Abschreckung.
  • Heilung wird verwechselt mit Kontrolle.

ECoH-Schlussfolgerung (hergeleitet aus Systemverhalten): Ein Staat, der innere Unsicherheit durch äußere Macht kompensiert, verlängert das Trauma, das er eigentlich heilen müsste.

6. Handlungsimpuls – Vom Wissen zur Rückverbindung

Wer erkennt, dass das System nicht mehr schützt, steht vor einer Wahl:

weiter mitlaufen – oder die Verantwortung zurücknehmen.

Das bedeutet nicht Widerstand, sondern Wahrhaftigkeit im Kleinen:

  • keine Angstkommunikation mehr weitergeben,
  • keine Feindbilder reproduzieren,
  • keine Systeme füttern, die Trennung erzeugen.

Jeder Mensch, der sich innerlich entzieht, entzieht dem alten System Energie. Jeder, der beginnt, sich selbst und andere zu verbinden, schafft neues Feld.

Das ist der eigentliche Ausweg:

Nicht durch Revolution, sondern durch Resonanzaufbau. Wenn Menschen wieder wahrnehmen, fühlen, zuhören und sich gegenseitig halten, verliert das Bedrohungssystem automatisch seine Grundlage.

Handlung heißt: Bewusst bleiben, wenn alle anderen reagieren.


Exkurs: Kommunikationshoheit – Wie Wahrheit Überwachung überflüssig macht

Chatcontrol und ähnliche Überwachungsprogramme sind keine isolierten technischen Entwicklungen, sondern die digitale Fortsetzung eines kollektiven Kontrollimpulses.

Wenn eine Gesellschaft das Vertrauen in ihre eigene Kommunikationskultur verliert, ersetzt sie Dialog durch Überwachung – so wie sie Frieden durch Abschreckung ersetzt, wenn Vertrauen in Kooperation fehlt.

Der Versuch, Überwachung mit Widerstand zu bekämpfen, stärkt sie nur:

Jeder Protest bestätigt dem System seine Grundannahme, dass Menschen ohne Kontrolle gefährlich seien.

Wirkungslos wird Chatcontrol erst, wenn Kommunikation selbst klarer wird. Wenn Menschen wahrhaftig, offen und angstfrei sprechen, verliert Überwachung ihre Rechtfertigung – sie misst, aber sie findet nichts.

Bewusstsein ist der einzige Datenschutz, den keine Behörde erfassen kann.

Diese Form der Kommunikationshoheit ist keine Flucht ins Private, sondern ein Akt der Rückverbindung:

Wer transparent und friedlich kommuniziert, entzieht jedem Kontrollsystem den energetischen Nährboden.

Nicht Widerstand, sondern Bewusstsein entwaffnet.


7. Politische Aufgabe – Vom Verwalten zum Bewusstseinsführen

Die Politik der Zukunft kann Bewusstsein nicht verordnen. Sie kann nur Raum schaffen, in dem Bewusstsein sich nachahmen darf.

Ein Gesetz kann Verhalten regulieren, aber nur Vorbild kann Haltung bilden.

Das bedeutet:

Politische Führung besteht nicht mehr darin, Entscheidungen zu treffen, sondern darin, Entwicklungsräume zu öffnen, in denen Menschen wieder fühlen, denken und handeln können, in Resonanz mit sich selbst.

Bewusstsein lässt sich nicht steuern, aber es lässt sich anstecken.

Wenn politische Institutionen beginnen, Transparenz, Ruhe, Aufrichtigkeit und Selbstreflexion vorzuleben, entsteht Vertrauen, nicht durch Kontrolle, sondern durch Glaubwürdigkeit.

So wird Politik wieder das, was sie ursprünglich war:

nicht Verwalterin von Angst, sondern Resonanzkörper gemeinsamer Würde.


Exkurs II: Deutschland als Systemspiegel

Die deutsche Bundesregierung steht im Zentrum einer historischen Widerspiegelung: Sie trägt den Auftrag, ein dysfunktionales System zu heilen, dessen Teil sie selbst geworden ist.

Ihre Mitgliedschaften in NATO und EU sichern Stabilität, aber sie binden zugleich an alte Mechanismen von Macht, Schuld und Abhängigkeit. Diese Bündnisse wurden einst geschaffen, um Frieden zu sichern – heute konservieren sie die Angst vor Instabilität.

Deutschland wirkt dadurch wie ein Organ, das die Heilung des Ganzen verhindern muss, um das Alte noch zu schützen.

Ein echter Wandel kann nicht durch weitere Verträge, sondern nur durch Bewusstseinsentscheidung erfolgen: durch den Mut, zu erkennen, dass Sicherheit nicht in Waffen, sondern in innerer Kohärenz liegt.

Damit würde Deutschland das tun, wozu es geschichtlich und energetisch prädestiniert ist: den Weg vom Schuldträger zum Heilträger Europas vollziehen.

Nicht durch Austritt, sondern durch Aufrichtigkeit – die Fähigkeit, innerhalb der Strukturen Wahrheit zu verkörpern, bis sich die Strukturen selbst verändern.

Ein Land heilt nicht durch Abgrenzung, sondern durch Erinnerung an seine Würde.

Hinweis: Entgegen der Aussage "Nicht durch Austritt", schlägt das Buch "Krieg als Systemmotor" den Austritt aus der NATO als Unterbrechungsimpuls. Das ist kein Widerspruch. Ein Austritt aus der NATO (oder zumindest ein Aussetzen der militärischen Verpflichtungen) wäre keine politische Feindhandlung, sondern ein Selbstheilungsakt eines Systems, das erkennt, dass seine Daueraktivität den Frieden verhindert.

Ethischer Rat der Menschheit (ECoH)

Publikation Nr. 31 · November 2025


  1. Bundesministerium der Verteidigung (2016). Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr. Berlin. 

  2. NATO (2025). Sharing the Burden – Poland and Germany Shifting the Dial on Defence Expenditure. 

  3. IfW Kiel (2025). Germany and Europe Should Finance Rising Military Spending through Borrowing. 

  4. Goldman Sachs Research (2025). Defense Spending to Boost German and European GDP Growth. 

  5. Stamegna, M. (2024). The Economic Impact of Arms Spending in Germany, Italy, and France. MPRA Paper No. 120608. 

  6. Reuters (2022). Germany’s “Zeitenwende”: 100 Billion € Defense Fund Announced. 

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